Immer wieder am Rand der Katastrophe – Seit mehr als einem Vierteljahrhundert noch immer kein richtiger Hochwasserschutz!

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von Wulf Stubbe

Schneechaos Anfang Februar und anschließend Hochwasser? Was viele Seeländer befürchteten, traf nicht ein! Zum Glück – denn größere Hochwasserschutzmaßnahmen wurden seit 1994 nicht umgesetzt.

Dieses Mal gab es keinen Regen und der Boden war nicht gefroren, dafür trocken. Das Tauwasser kam bei weitem nicht so geballt in der Selke an. Schon während des Schneechaos hatten viele Helfer ihre Hilfe beim Füllen von Sandsäcken angeboten. Und Stadtrat Mario Lange forderte zum wiederholten Male die Stadtverwaltung auf, diese ehrenamtlichen Helfer in einer Wasserwehr zu bündeln. So würden die Helfer im Vorfeld ausgebildet und wüssten im Notfall gut Bescheid. Die Wasserwehr ergänzt die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr und wird vom Land Sachsen-Anhalt finanziell unterstützt. Das Land hat der Stadt Seeland bereits sehr häufig die Gründung einer solchen Wasserwehr empfohlen. Leider wurde immer noch nichts unternommen.

Hat das Land und auch die Verwaltung seit April 1994 nichts gelernt? Um hier noch einmal zu erinnern: 50 Millionen DM Schaden. In der Stadt Seeland waren besonders Hoym und Gatersleben betroffen. Während in Hoym der tiefer gelegene Bereich betroffen war, mussten in Gatersleben 90 Prozent aller Grundstücke mit dem Hochwasser fertig werden. Alle Keller waren vollgelaufen, oft auch der Wohnbereich. Nach 1994 gab es mit den zuständigen Landeseinrichtungen viele Diskussionen, wie man einen Hochwasserschutz an der Selke erreichen kann. Einzige übriggebliebene Lösung, war der Bau eines Rückhaltebeckens oberhalb von Meisdorf. Doch bis heute hat es die Landesregierung nicht geschafft, die nötigen Fakten für den Bau eines Rückhaltebeckens zusammenzutragen.

Vor fünf Jahren – mit der Übernahme des Umweltministeriums des Landes durch Frau Prof. Claudia Dalbert (B90/Grüne) wurden die bis dato erarbeiteten Unterlagen ad acta gelegt und ein „Runder Tisch“ zur Thematik Hochwasserschutz an der Selke ins Leben gerufen. Teilnehmer dieses Gremiums waren Vertreter der Naturschutzverbände, Bauernverbände, Bürgerinitiativen, Behörden, Landkreise und Kommunen sowie der Landesbetrieb für Hochwasserschutz (LHW) und der Talsperrenbetrieb Sachsen-Anhalt (TSB).

Aussage der Ministerin damals war: „…wenn wir uns am Runden Tisch einigen, geht alles viel schneller…“. Davon ist nichts geblieben; der „Runde Tisch“ hat über ein Jahr oft und lange getagt.

Die Diskussionen waren teils emotional und frustrierend. Zweimal war die BIG-Seeland kurz davor, den „Runden Tisch“ zu verlassen!

Der „Runde Tisch“ endete einstimmig mit vier wesentlichen Vorschlägen:

– Bau eines Rückhaltebeckens im Uhlenbachtal

– Bau eines Rückhaltebeckens vor Meisdorf

– Bau eines Rückhaltebeckens Lange Wiese in Meisdorf

– Bau eines Rückhaltebeckens vor Ermsleben.

Darüber hinaus verständigte man sich auf eine rote Linie: oberhalb von Meisdorf ein Rückhaltebecken für ein Hochwasser HQ100 zu errichten.

Nach dem Ende des „Runden Tisches“ gibt es einen „Selke-Beirat“, welcher die Prüfung und Umsetzung der Maßnahmen zum Hochwasserschutz begleitet. Der TSB hat inzwischen nach einer EU-weiten Ausschreibung die Planung der Schutzmaßnahmen in Auftrag gegeben. Das ist der letzte Kenntnisstand – die Bilanz ist frustrierend.

Trotz „Rundem Tisch“ ist der Stand im Prinzip wie vor 27 Jahren!  Parallel zum „Runden Tisch“ hatte vor fünf Jahren die BIG-Seeland die Gründung einer Arbeitsgruppe „Hochwasser, Grundwasser und Vernässung“ für die Stadt initiiert. Dieser gehörten Vertreter aller Ortsteile der Stadt und lokale Landwirte an. Die Bürgermeisterin war Leiterin dieser Arbeitsgruppe. Ziel war es, alle alten Grabensysteme zu erfassen und die wichtigsten Gräben möglichst wieder zu aktivieren. Diese Gräben sind für die Ableitung von Hochwasser, Starkregen und auch steigendem Grundwasser wichtig. Dazu sollten die Grundwasser-Messdaten der LMBV ausgewertet werden. Das Ergebnis ist auch hier frustrierend und keinesfalls nachvollziehbar:

Die Arbeitsgruppe hat nur zweimal getagt und ist dann 2016 eingeschlafen. Grabensysteme wurden nicht erfasst, Messdaten zu den Grundwasserständen – obwohl sie in der Stadtverwaltung vorliegen – wurden nicht übergeben.

Die Bürgermeisterin wurde wiederholt gebeten, die Arbeitsgruppe zu aktivieren, die Hilfe der ehrenamtlich tätigen und sachkundigen Bürger anzunehmen und diese zu organisieren! Es gab keine Reaktionen.

Der Sülzegraben in Gatersleben ist weiterhin nicht fließfähig. Dies ist der Stadtverwaltung seit vielen, vielen Jahren bekannt. Im Fall eines Hochwassers kann das Wasser in keine Richtung abfließen.

Wer ist denn nun im Hochwasserfall für nicht abfließendes Wasser verantwortlich?

 Immer die Anderen?