Gastbeitrag von Stadtrat Thomas Senier zur Übergabe der Trinkwasserversorgung an den ZVO

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Zum Tagesordnungspunkt „Vergabe der Trinkwasserversorgung“ hatte ich noch die Möglichkeit folgenden Text auf der Stadtratssitzung zu verlesen:

Werte Stadträte,

mit der Zustimmung zur Übertragung der Trinkwasserversorgung an den Zweckverband Ostharz versiegt ab 2023 eine sichere Quelle finanzieller Einnahmen in der Stadt Seeland für immer.

Deshalb bin ich auch über den Artikel „Richtungsstreit ums Wasser“ in der Mitteldeutschen Zeitung vom Freitag den 13.11.2020 sehr verwundert. Dort heißt es, ich zitiere: „Meyer findet es falsch zu sagen, die Stadt würde im Falle einer Übertragung an den ZVO auf Geldeinnahmen verzichten. „Wir bekommen ja jetzt schon 80000 Euro im Jahr als Konzessionsabgabe, doch damit können wir keine freiwilligen Aufgaben, wie die Vereinsförderung oder den Betrieb von Jugendklubs finanzieren.“ Die Stadt befindet sich in der Konsolidierung. Das bedeutet, dass die Einnahmen für die Verringerung des Defizits eingesetzt werden müssen.

Diese Passage des Artikels ist so an mehreren Stellen schlichtweg falsch. Zum einen wird auf die Konzessionsabgabe verzichtet und das auf Lebenszeit, da diese Einnahmen definitiv wegfallen, wenn der Übertragung an den ZVO zugestimmt wird. Zum anderen, müsste es richtig heißen, bekommen wir jetzt noch 50000 Euro und nicht schon 80000 Euro Konzessionsabgabe. Um auf die Summe von 80000 zu kommen, müssen noch ca. 30000 Euro Gewerbesteuereinnahmen ergänzt werden, auf die dann ebenfalls verzichtet werden muss. Ab 2023, und erst ab dann muss man rechnen, würde sich die Konzessionsabgabe auf 69837,25 € erhöhen, da dann die gesamte Stadt Seeland einbezogen wird, hinzu kommen die Gewerbesteuer von 33019,68 € und eine Gewinnbeteiligung von etwa 40000 € , das macht zusammen, sage und schreibe, eine Summe von 142856,93 € Einnahmen pro Jahr, auf welche freiwillig verzichtet wird, sollten Sie, werte Stadträte, einer Übertragung der Wasserversorgung an den Zweckverband Ostharz zustimmen.

Auch wenn diese Einnahmen, laut Ihnen, Frau Meyer, im Rahmen der Konsolidierung, in welcher wir uns weiterhin befinden, zur Verringerung des Defizits eingesetzt werden müssen, sollen Sie nun einmal erklären, wie Sie ein Loch mit einem neu aufklaffenden Loch stopfen wollen. Wenn man Nichts zu Nichts gibt, erhält man dann am Ende laut Ihrer Rechnung noch viel mehr Nichts?

Wovon wollen Sie denn ab 2023 das Defizit um den dann weggefallenen Einnahmebetrag von ca. 143000 € verringern?

Bei fehlenden Einnahmen werden wohl oder übel auch seitens der Kommunalaufsicht die freiwilligen Ausgaben beanstandet bzw. deren Höhe reguliert. Momentan dürfen maximal … % des Gesamthaushaltes den freiwilligen Ausgaben zugeordnet werden. Soll hier weiter eingeschränkt werden oder wie sonst sollen die anstehenden Mindereinnahmen kompensiert werden? Will man die Einnahmeverluste durch eine weitere Erhöhung von Steuern, was bei der Hundesteuer ja  immerhin schon 7300 € ausmachte, ausgleichen?  Da die Bürger nach dem vorgestellten Konzeptes des ZVO ja im Vergleich zur MIDEWA Wasserkosten sparen, wäre dies ja eine mögliche Variante. Das ist aber genau das, was nicht passieren darf. Die Übertragung der Wasserversorgung darf nicht zu Lasten der Bürger gehen, zumal diese im Vorfeld gar nicht hierzu befragt wurden, sondern hier und heute 21 Leute etwas Elementares wie die Trinkwasserversorgung über die Köpfe der Einwohner hinweg entscheiden sollen.

Zurück zur Frage der Kompensation der Einnahmeverluste, wie wollen Sie das erklären und welche Maßnahmen sollen hierzu getroffen werden? Sind die im Konsolidierungskonzept geplanten Maßnahmen wie die Reduzierung bzw. Streichung der Ortschaftsmittel von 32000 bzw. 60000 €, die Erhöhung von Elternbeiträgen, die für 2020 mit 47300 € beziffert ist, auch dann wieder bzw. weiterhin geplant?

Weiterhin ist bis jetzt auch noch unklar, welche Summe für den Erwerb der Wasserverteilungsanlagen aufgewendet werden muss und wie diese finanziert werden soll. Auch bei der Übertragung an den ZVO ist dieser Posten noch offen und wurde nur rein spekulativ in das vorgestellte Konzept eingebunden, weshalb die angegebenen Einsparungen beim Wasserpreis auch nur auf fiktiven Annahmen basieren. Herr Günter sprach vom Worstcase, den er angeblich einkalkuliert hat und ist dabei von 300 € pro Meter Leitungsnetz ausgegangen, wenn anstelle des Sachzeitwertes die Wiederher- bzw. Erstellungskosten herangezogen würden, was bei ca. 100 km Länge des Netzes 30 Millionen Euro wären. Wie können diese Zusatzausgaben aufgebracht und trotzdem der Wasserpreis nicht erhöht werden? Hier gibt es noch viel Aufklärungsbedarf und es darf sich nicht hier und heute im wahrsten Sinne des Wortes selbst das Wasser abgegraben werden.

Ich appelliere deshalb an alle Stadträte diese schicksalhafte Entscheidung nicht heute im Schnellschuss zu besiegeln, sondern sich noch ausreichend Zeit zu nehmen, um alle und ich meine wirklich alle Vor- und Nachteile gegenüber zustellen und nach ausreichender Analyse abzuwägen um die vernünftigste und auch gegenüber den Bürgern vertretbare Entscheidung zu fällen.

Thomas Senier, Stadtrat Seeland